Vertrauen ist gut - Kontrolle besser! Stimmt das wirklich?
Wann du vertrauen solltest und wann du kontrollieren musst
Wie viel sollte, ja wie viel musst du kontrollieren? Stimmt die geläufige Ansicht bei Führungspersonen, dass Vertrauen gut ist, Kontrolle aber besser sei? Was hat das mit Mitarbeiterführung zu tun? Und warum hat Führung was mit Vertrauen zu tun? Das ist gar nicht so einfach zu beantworten…
Eine typische Situation in Unternehmen: Du gibst einen klaren Auftrag, z.B. für eine konkrete Anpassung der Unternehmenswebsite. Nach einer Weile bekommst du einen Link zugesendet…
Ausführliche Mitabreiterkontrolle
Dann geht es los: Die Website wird getestet, jede Funktion wird aufgerufen, jedes Formular abgefüllt bis du sicher bist: JETZT kann es losgehen. Wie aber hast du die Kontrolle gemacht? Du hast die Seite beispielsweise mit deinem PC aufgerufen, alles durchgeschaut und kontrolliert ob alles richtig funktioniert. Du bist überzeugt, das funktioniert alles bestens. Doch dem ist nicht so!
3 Tage später bekommst du durch ein Kundenfeedback mit, dass die Mobileoptimierung auf dem Handy nicht sauber funktioniert. Na toll… So ist es auch mir einmal ergangen.
Ich dachte, es reicht, wenn ich die Seite auf meinem System kontrolliere, nämlich über meinem Laptop. Normalerweise reicht das auch aus. Bisher gab es da keine Probleme. Deshalb hatte ich auch das Vertrauen, dass diese eine Kontrolle ausreicht.
Um sicher zu gehen, hätte ich aber auf mehreren Systemen den gleichen Prozess testen müssen. Warum habe ich das nicht gemacht? Weil eine solche detaillierte Prüfung enorm zeitaufwändig ist.
Kontrolle beansprucht sehr viel deiner (Arbeits)zeit
Wer alles und jeden kontrolliert, der braucht sehr viel Zeit. Und selbst dann wird es hin und wieder vorkommen, dass dir ein Fehler durch die Lappen geht. Selbst wenn du noch so viel kontrollierst, eine 100% Sicherheit gibt es nicht. Das ist eine Illusion.
Willst du also mit deiner Arbeit oder mit deinem Team effizient sein, dann musst du darauf achten, dass du so wenig wie möglich aber so viel wie nötig kontrolliere.
Du musst dabei akzeptieren, dass es hin und wieder Fehler gibt. Fehler, die bei einer 100% Kontrolle wahrscheinlich aufgefallen wären. Nur eine 100% Kontrolle kostet erstens sehr viel mehr Zeit und zweitens gibt auch die 100% Kontrolle keine 100% Sicherheit.
Vertrauen bei der Führung
Speziell im Spannungsfeld zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geht es besonders um das Thema Vertrauen. Je mehr Vertrauen ich als Führungskraft in eine Person und in deren Fähigkeiten habe, desto weniger muss ich kontrollieren und desto mehr Zeit habe ich als Führungskraft zur Verfügung für andere wichtige Dinge. Vertrauen kommt von «sich etwas oder jemandem etwas zutrauen». Hier stellt sich die Frage: Was traust du dir selbst zu? Und deinen Mitarbeiter*innen?
Das Thema Vertrauen und Zutrauen ist bei über 80% unserer Kundinnen und Kunden ein zentrales Thema im Mentoring und Coaching. Eigentlich einfach und eine Binsenweisheit, doch wieso vertrauen wir den Mitarbeitern nicht einfach?
Als Führungsperson bist du immer verwundbar
Die Herausforderung vieler Arbeitgeber ist: «Wenn ich einem Arbeitnehmer vertraue, dann mache ich mich selbst «verwundbar“. , denn Vertrauen kann von der Person enttäuscht, ja sogar ausgenutzt werden!“
Es kann auch sein, dass ich die Fähigkeiten eines anderen einfach falsch einschätze und somit zu viel Vertrauen in seine Fähigkeiten habe. Das kann zu unerwünschten Fehlern führen wie Termin- oder Budgetüberschreitungen, unvorhergesehenen Kosten, Personalverlust, Teamspannungen, etc. Kurzum: zu richtig viel Ärger. Es kostet deshalb Selbstüberwindung auf Vertrauen zu setzen – und ein bestimmtes Mass Mut / Kraft, die Ungewissheit auszuhalten. Es braucht Selbstbewusstsein und Mut, anderen zu vertrauen und nicht zu kontrollieren. Denn es kann schief gehen – muss es aber nicht.
dass er bis zu einem gewissen Grad vertrauen muss,
der ist als Führungskraft meiner Ansicht nach nicht geeignet.
Delegieren ist eine Investition in die Mitarbeiter
Vertrauen stammt von „sich trauen“. Und das braucht Mut und Selbstbewusstsein. Es ist eine Entscheidung die ich treffe. Hin und wieder stellt sich heraus, dass diese Entscheidung falsch war. Damit muss ich als Führungskraft leben können. Wer damit Mühe hat, dem kann ein Führungscoaching oder Mentoring viel bringen.
Auf eine Sache bin ich noch gar nicht eingegangen: Zu viel Kontrolle wirkt demotivierend.
Wer als Arbeitgeber seine Mitarbeiter ständig kontrolliert und somit ein Mikromanagement (übertriebene Detailorientierung) einführt, misstraut grundsätzlich seinen Mitarbeitenden. Hast du dich mal gefragt, was du mit deinem Verhalten für Signale aussendest? Oft höre ich hier in den Coachings: «Das ist mein gutes Recht». Ja, nur ist es ungünstig so vorzugehen. Denn du gibst deinen Mitarbeitern das Signal, dass sie unmündig, unfähig und nicht vertrauenswürdig sind. Wenn es so ist, warum hast du dann Mitarbeiter angestellt? Und wenn du deinen Mitarbeitenden misstraust, hast du dann vielleicht «die falschen» Leute rekrutiert?
Kannst du nachvollziehen, dass deine Mitarbeiter dann frustriert sind durch dein Verhalten und sie dann nur noch Dienst nach Vorschrift machen. Mitdenken? Warum auch!? Es wird sowieso alles kontrolliert und vorgegeben. „Ich bin nur hier zum Arbeiten, denken darf nur der Chef“ – kennst du den Satz oder hast du ihn vielleicht schon selbst benutzt?
Als Chef gelangst du nach einiger Zeit zur Überzeugung, deine Mitarbeiter wären nicht in der Lage selbstständig zu arbeiten, eigene Ideen zu entwickeln und Verantwortung zu übernehmen. Selbst erkennst du oft nicht, dass der eigene „Kontrollwahn“ dazu geführt hat. Merk dir: Jeder Chef hat nach spätestens drei Jahren die Mitarbeiter, die er verdient.
Nun gibt es Führungskräfte, die der Meinung sind, sie vertrauen ihren Mitarbeitern und delegieren erfolgreich Aufgaben. Leider glauben sie das nur. Tatsächlich sieht es häufig anders aus, weil: Glauben ist in diesem Fall Mangel an Wissen!
Ein Beispiel: Du bittest einen Mitarbeiter sehr kurzfristig, einen wichtigen Bericht zu erstellen und diesen bereits am nächsten Morgen um 09.00 Uhr bei dir abzugeben. Du brauchst den Bericht für einen wichtigen Kunden. Das erklärst du genau so deinem Mitarbeiter. Dieser bestätigt dir: „Chef, alles klar! Ich kümmere mich darum. Du kannst Dich auf mich verlassen. Der Bericht liegt morgen um 09.00 Uhr auf deinem Schreibtisch.“
Wichtig: Darauf solltest du dich als Chef verlassen. Du solltest deinem Mitarbeiter vertrauen.
Aber was macht du stattdessen? Während des Tages gehst du bei dem Mitarbeiter vorbei und fragst einfach mal freundlich: „Äh, wie weit bist du denn schon mit dem Bericht?“ Tja, das ist schon unnötige Kontrolle und fast ein Misstrauensbeweis gegenüber dem Mitarbeiter. Selbst wenn es noch so nett und freundlich gemeint ist!
Ich höre dich schon rechtfertigen: „Ja, aber ich wollte doch nur… Ja aber, ich muss doch…» usw.
Ja, was wolltest du nur? Schauen, ob dein Mitarbeiter noch an deinen Bericht denkt? Schauen ob er den Termin einhält? Das hat er dir doch zugesagt! Da musst du nicht mehr nachfragen. Er gab sein Wort dafür. Mal ganz abgesehen davon, dass du als Chef wahrscheinlich deinen Mitarbeiter mit dieser Frage bei seiner Arbeit unterbrichst.
Du als Chef vermittelst deinem Mitarbeiter mit dieser Frage, dass du ihm nicht (zu)traust, den Bericht termingerecht abzuliefern. Obwohl er dir dies zugesichert hat. Schade, oder? Und dazu noch eine unnötige Kontrolle, die auf beiden Seiten Ressourcen verschwendet, Energie kostet und wie gesagt nichts bringt. Dabei wäre es klug und eine optimale Möglichkeit, hier einfach nochmals dem Mitarbeiter danke sagen, dass er so spontan aushilft und nochmals meine Unterstützung, bei Unklarheiten und Fragen anbieten.
Wie oft habe ich schon gehört: „Aber meine Mitarbeiter halten sich nicht an Zusagen… Ja, das ist ja alles ganz nett. Aber Sie kennen nicht die Mitarbeiter in meinem Unternehmen. Die sagen sowas auch zu, aber halten sich dann nicht daran.“
Aha. Hälst du dich denn an deine Zusagen? Immer? Auch an die kleinen Zusagen? Ganz ehrlich?
Wenn du nicht 100% verlässlich bist, dann sind es wahrscheinlich deine Mitarbeiter auch nicht.
Deine Mitarbeitenden spiegeln immer dein eigenes Verhalten!
Bitte verstehe mich nicht falsch: Natürlich kann es mal vorkommen, dass ein Termin nicht eingehalten wird oder dass id die Fähigkeiten eines Mitarbeiters falsch eingeschätzt hast. Oder sogar dein Mitarbeiter vielleicht auch sich selbst falsch einschätzt respektive überschätzt.
Trotzdem darfst du ihn erst dann kontrollieren, wenn die Deadline erreicht ist. Hat er dir den Bericht am nächsten Morgen um 09.00 Uhr geliefert oder nicht? Nur das ist die Frage. Wenn er ihn nicht liefert, dann musst du ihn natürlich darauf ansprechen und ihm sagen, dass er dich bei diesem Projekt enttäuscht hat. Nicht weil er es nicht schaffte, sondern weil er nicht rechtzeitig kam und es mitteilte. Das heisst aber nicht, dass du ihn das nächste Mal mikromanagest!
Was, wenn der Termin nicht eingehalten wurde?
Stattdessen kannst du ihm beim nächsten Mal zum Beispiel sagen: “Du weisst ja, dass du den Termin beim letzten Bericht nicht eingehalten hast. Das hat zu einigen Problemen mit unserem Kunden geführt. Bei dem jetzigen Bericht hätte ich deshalb gerne von dir den aktuellen Stand des Berichts heute um 14.00 Uhr. Dann können wir gemeinsam entscheiden, was noch getan werden muss, damit der Bericht morgen um 09.00 Uhr wirklich fertig ist. Was kannst Du bis 14.00 Uhr fertigstellen?“
Wenn ich so vorgehe, delegiere ich also auf einer niedrigeren Stufe. Ich baue mit dem Termin um 14.00 Uhr einen Zwischenschritt ein, an welchem ich als Chef das Ergebnis kontrollieren darf. Das kostet mich mehr Zeit. Deshalb sollte es mein Bestreben sein, möglichst bald diese Berichte wieder so delegieren zu können, dass ich keine Zwischenschritte oder Milestones einbauen muss. Es ist also meine Aufgabe meinen Mitarbeiter dahin zu bringen und darin zu unterstützen und zu coachen, dass er das alleine schafft. Aber: Ich darf zwischen den Milestones nicht kontrollieren!
Ich muss soweit kommen, dass meinem Mitarbeiter immer klar ist, dass er zu mir kommen kann, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert oder wenn er merkt der Zeitplan ist nicht einzuhalten oder ähnliches. Aber ich als Chef darf das Ergebnis nur kontrollieren zu den Terminen, die wir auch vereinbart haben und nicht dazwischen.
Was ist übertriebene Kontrolle?
Wo verläuft also die Grenze zwischen nötigem Präsenz und übertriebener Kontrolle? Einfach gesagt: Kontrolliere das, was du abgemacht hast. Den Weg dahin zu kontrollieren ist übertrieben. Wie viel Kontrolle und wie viel Freiraum du gewährst, das ist vom Mitarbeiter abhängig: von seinem Wissen, von seinen Fähigkeiten.
Stichprobenkontrollen machen weil du verantwortlich bist
Selbst wenn du volles Vertrauen in einen Mitarbeiter hast, solltest du seine Ergebnisse zumindest hin und wieder kontrollieren (stichprobenartig). Schliesslich trägst du nach wie vor die Gesamtverantwortung.
Nehmen wir an, du bist Geschäftsführer eines kleinen Unternehmens: Im monatlichen Meeting hat dir die Buchhaltung gerade die aktuellen Zahlen präsentiert. Es wird dir mitgeteilt, dass abzüglich der Gehalts-Zahlungen zurzeit CHF 100’000 auf dem Geschäftskonto liegen verfügbar sind. Muss du sowas prüfen? Schliesslich vertraust du deinem Buchhalter… oder?
Ja, du hast Vertrauen und nein, du musst nicht alles überprüfen. Trotzdem solltest du hin und wieder mal einen Bankauszug anschauen, ob die Zahlen stimmen – ob das, was man dir mitteilt, auch stimmt.
Auch ob der wichtige Stammkunde wie üblich seine zwei Prozent Skonto erhalten hat, kann man in einer Stichprobe mal überprüfen. Dass du prinzipiell solche Stichproben machst, das hast du natürlich vorher deinen Mitarbeitern klar gemacht.
Solltest du bei einer solchen Stichprobe auf Unstimmigkeiten stossen, bringt es nichts, mit Beschuldigungen, um dich zu werfen. Konfrontiere den Verantwortlichen mit dem was dir aufgefallen ist. Wahrscheinlich gibt es eine schlüssige Erklärung. Wenn nicht, solltest du den Betreffenden zur Verantwortung ziehen. Aber behalte grundsätzlich deine Vertrauenshaltung bei. Vermeide nach Fehlern oder Verstössen ein Mikromanagement einzuführen.
Und: Wenn einzelne Mitarbeiter beweisen, dass sie Ihr langjähriges Vertrauen verdienen, kann/sollte die Häufigkeit von Stichproben abnehmen. Das wird Ihr Mitarbeiter auch als Vertrauensbeweis schätzen.
Zusammenfassung
- Delegiere Aufgaben und Projekte so, dass du das volle Commitment des betreffenden Mitarbeiters erhältst.
- Zur richtigen Delegation einer Aufgabe gehört die Zustimmung und Terminbestätigung deines Mitarbeitenden.
- Überlasse nach erfolgreichem Delegieren sämtliche Details deinem Mitarbeiter. Er oder sie ist dein Profi.
- Warte unbedingt ab, bis die Deadline verstrichen ist, bevor du dich nach Ergebnissen erkundigst.
- Kontrolliere das Ergebnis, aber nicht den Weg dahin.
- Schaffe für dein Unternehmen oder deine Abteilung eine Fehlerkultur, indem du cool bleibst und nicht nach unten „durchgreifst“.
- Vertraue grundsätzlich deinen Mitarbeitern.
- Vermeide Mikromanagement.
- Führe Stichproben durch, damit du einschätzen kannst, ob deine Mitarbeiter das Vertrauen auch verdienen.
Viel Erfolg und Freude bei deinen täglichen Führungsaufgaben. Wenn du Unterstützung suchst, dass auch du nach spätestens drei Jahren die Mitarbeitenden hast, die du verdienst, meld dich einfach.
Adrian Müller von Erfolg-Reich-Sein.
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